Was regt sie an, wo kommen sie her?

Über Selbstheilungskräfte

Was regt sie an, wo kommen sie her?
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von Conny Dollbaum-Paulsen

Die Anregung der Selbstheilungskräfte ist ein oft formuliertes Ziel im Rahmen naturheilkundlicher energetischer und allgemein komplementärmedizinischer Behandlungen. Wir benutzen ihn ganz selbstverständlich, aber haben wir auch eine Idee, um was es sich da handelt?

 

Kleine Begriffskunde: Alternativ oder komplementär?

Zunächst die Frage, warum es in der Einleitung Komplementärmedizin heißt und nicht alternative Medizin. OK, das ist eine Haltungssache. Eine Alternative ist eine zweite Lösung, ein anderes Angebot mit der Betonung des „Anderen“. Ein Komplement ergänzt etwas, nimmt etwas dazu, verbindet verschiedene Ansätze zu einem größeren. Schulmedizin und Naturheilkunde oder Energiemedizin sind in meinem Verständnis unterschiedliche Sichtweisen, die einander ergänzen und sich nicht ausschließen; ganz im Gegenteil, gemeinsam eingesetzt führen sie zu besseren Ergebnissen, als das die jeweilige Anwendung alleine könnte. Der Begriff Alternativmedizin ist also eher politisch gefärbt, während Komplementärmedizin darauf abzielt, verschiedene Perspektiven zu einer Synthese zu bringen.

Mit dem Begriff Selbstheilungskräfte wird es etwas schwieriger, zumindest, was wir im europäischen Denken zu bieten haben. Der Erfinder der Homöopathie, Samuel Hahnemann, benutzte das Wort Lebenskraft, um die schöpferische Energie zu beschreiben, die allem Lebendigen zugrunde liegt. Bis heute kann die Medizin mit diesem Begriff nichts anfangen, weil es sich um ein geistiges Prinzip handelt, das eher mit den Mitteln der Philosophie als denen der Naturwissenschaft zu beschreiben ist.

Prana, Qi und Co

In China und Indien ist dieses Prinzip als Grundlage allen Lebendigen fraglos anerkannt – ob Chi/Qi in China oder Prana in Indien, beide Weltbilder basieren auf der Annahme, ein feinstoffliches Gleichgewicht bilde die Grundlage eines gesunden Organismus. Die Behandlung mit Akupunktur, Tuina oder Qi Gong ebenso wie der Einsatz von Diäthetik und Kräutern in der TCM oder die Harmonisierung der Chakren in der Energiearbeit wirken immer auf Energiesysteme und nicht primär stofflich. Kein Wunder, dass Schulmedizin und Energiemedizin schwer zusammenkommen, denn bis heute sind die Leitbahnen der TCM, sog. Meridiane, Chakren und Prinzipien des Muskeltests aus der Kinesiologie naturwissenschaftlich nicht nachweisbar.

Historisch wurde, sehr verkürzt gesagt, in China in geistiger Anbindung an das konfuzianisch-daostische Weltbild, vornehmlich und sehr genau beobachtet, was an Symptomen und Erscheinungen sinnlich zu erfassen war; daraus entstand ein komplettes Behandlungssystem, die TCM. In Europa wurden schon früh Leichen seziert, Urin und Blut chemisch untersucht, um nach den kleinsten Bausteinen des göttlichen Plans zu suchen, ohne sich um die dahinter wirksamen Lebensenergien zu scheren.

Beide Systeme sind in sich geschlossen, darin komplett logisch und stimmig, leider (oder zum Glück?) sind sie so unterschiedlich, dass eine direkte Verbindung über Entsprechungen schwer bis garnicht möglich ist.

Selbstheilungskräfte und Medizin: ein Rätsel

Weil Lebenskraft als Energie schulmedizinisch nicht messbar ist, hat sie es schwer. Und weil in der Naturwissenschaft kleine Teile von Materie eine große Rolle spielen, wissen wir mittlerweile unglaublich viel darüber, wie Organismen physiologisch funktionieren. Die Schulmedizin kann genau beschreiben, wo und warum ein Aspirin wirkt, sie ist ratlos, wenn Kopfschmerzen auftauchen und auf Aspirin nicht reagieren – dann werden andere Wirkstoffe ausprobiert; wirken diese auch nicht, gibt es große Fragezeichen, weil das mechanistische Schlüssel-Schloss-Prinzip einfach nicht tut was es soll.

Ein Mensch mit chronischen Kopfschmerzen könnte dann auf die Idee kommen, eine Heilpraktiker:in, Kinesiolog:in oder Psychotherapeut:in aufzusuchen, um eine Antwort zu finden, die die Medizin (bisher) nicht geben konnte

Was passiert jetzt?

Nehmen wir an, die Heilpraktiker:in wäre Homöopath:in – diese würde eine homöopathische Anamnese aufnehmen, ein nach allen Regeln der Homöopathie-Kunst Arzneimittel auswählen und davon ausgehen, dieser so gegebene spezifische Impuls könnte die Lebenskraft stimulieren und so den Kopfschmerz dauerhaft heilen.

Merke: Während in der Naturwissenschaft ein Stoff (Medikament) eingesetzt wird, um chemisch oder physikalisch etwas zu ersetzen oder unmittelbar zu unterstützen, spielen in der Energie-Medizin energetische Impulse eine Rolle, die indirekt dafür sorgen, das Ungleichgewicht zu harmonisieren.

Konkret heißt das: Aspirin blockiert bestimmte Schmerzrezeptoren, ein Antibiotikum ersetzt (geschwächte) Abwehrzellen, die Pille simuliert ein Hormon usw., es geht um eine direkt nachvollzieh- und messbare Wirkung, die Medikamente wirken cphysiologisch unmittelbar auf die körpereigene Systeme.

Ein Homöopathikum, eine Akupunkturnadel oder eine Craniobehandlung geben einen ordnenden Impuls, damit sich die chemisch-physikalischen Systeme des Organismus harmonisieren und ihre Arbeit wieder aufnehmen können. Die Wirkung ist indirekt, der Impuls unterstützt die oben genannten Selbstheilungskräfte, die verschiedenen Systeme des Organismus werden geordnet. Der energetische Impuls stößt körpereigene Systeme an, ersetzt aber nichts.

Vor- und Nachteile: Mal so mal so

Wer Kopfschmerzen hat und schnell nach Linderung sucht, ist mit Aspirin und Co bestens bedient, weil der Mechanismus gut erforscht und nachvollziehbar ist. Punkt. Wer immer wieder Kopfschmerzen hat, ist damit weniger gut bedient, weil die zugrundeliegende Disharmonie nicht berücksichtigt wird. Es gibt so viele Gründe für wiederkehrende Kopfschmerzen, die weder mit Aspirin noch mit regelmäßigen chiropraktischen Einrenkungen (mechanisch!!!) nachhaltig zu behandeln sind.

Ein wichtiger Vorteil schulmedizinischer Behandlung ist die Präzision in der Wirkung. Vielleicht noch wichtiger ist, dass für diese Wirkung keine körpereigene Energie verbraucht werden muss, weil das Medikament selbst direkt etwas ersetzt, verstärkt oder mindert. Selbstheilungskräfte sind hier nicht gefragt und werden nicht benötigt.

Ganz anders bei der energetischen Behandlung: hier muss ein Impuls umgesetzt werden, um die körpereigene Ordnung z.B. des Immunsystems wiederherzustellen. Das kostet Energie, die dem Körper zur Verfügung stehen muss. Mit anderen Worten: ein sehr geschwächter Organismus ist unter Umständen nicht in der Lage, einen energetischen Impuls umzusetzen.

Komplementär gewinnt

Beide Systeme zusammen sind unschlagbar – vor allem, wenn die Anwender:innen in der Lage sind, die Stärken und Schwächen des eigenen Systems zu sehen. Wenn es gelänge, die beiden Systeme nicht als gegeneinander-stehend zu werten, sondern als Resultat verschiedener Weltbilder: hier das mechanistisch-materielle der Schulmedizin, dort das energetisch-holistische der Komplementär- und Energiemedizin, könnten wir zum Wohle aller weit kommen. Wir könnten auf Stoffebene die Medizin nehmen, die uns schnell entlastet, zum Beispiel Cortison bei schweren entzündlichen Erkrankungen und auf holistischer Ebene in der Tiefe forschen, was welche Systeme energetisch in Dysbalance sind.

Keine Methode dieser Welt ist unfehlbar, es gibt keine Patentrezepte, keine Wundermittel und nichts kann uns als lebendige Wesen dauerhaft vor Krankheit und Tod bewahren. Das ist unser Dilemma. Aber wir können als Individuen und kollektiv forschen, wie wir mit Krankheit, und Gesundheit, mit Leben und Tod umgehen wollen.

Wir können selbstverantwortlich handeln und uns die „Medizin“ suchen, die sich, ganz salutogenetisch, hilfreich anfühlt und wir können als Gesellschaft dafür sorgen, ein Gesundheitssystem zu entwickeln, das dem Sorge trägt.

Anbei zwei Initiativen, die damit auf politischer Ebene schon erfolgreich aktiv sind:

Naturmedizin & Schulmedizin gemeinsam:
weil's hilft

Für eine Medizin der Zukunft: Carstens Stiftung
www.carstens-stiftung.de

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